Jubiläumskonzert - Zwanzig Jahre Kammerchor

Jung und schön geblieben

VON HANSDIETER WERNER

REUTLINGEN. Es war, als hätte sich eine große Familie nach Jahren wieder getroffen. Zum 20. Geburtstag des Kammerchors Reutlingen, der aus dem Chor der einstigen Pädagogischen Hochschule hervorging, waren Ehemalige in Scharen gekommen. Zum Zuhören oder zum Mitsingen. Fürs Mitmachen beim Jubiläumskonzert in der Kreuzkirche hatten sich erfreulich viele entschieden. So stand im Altarraum ein Chor fast doppelt so groß wie der Kammerchor sonst.

Ein Jubiläumschor, der schon optisch - alle in Schwarz mit kleinen roten Zutaten - beeindruckt. Und sängerisch sowieso. Im Publikum sah man auch Michael Goldbach, der Anfang der achtziger Jahre den PH-Chor gegründet hatte, ihn über das Aus für die Hochschule hinweg zu retten mithalf und ihn als Kammerchor bis zu seinem Weggang 1993 nach Bamberg geleitet hat. Als Chorleiterin folgte ihm Christa Feige. Bis heute steht sie an der Spitze des Chors - von einer kurzen Nachwuchs-Auszeit abgesehen.

Der Chor hat schon immer durch seine Vielseitigkeit und durch seine technische und klangliche Kultur für sich eingenommen. So war es auch beim Jubiläumskonzert, wobei auffiel, dass der vergrößerte Chor völlig stimmig in sich selbst gesungen hat. Einheitlich und verbindlich in Intonation und einer geformten Klarheit, als würde er von einem gemeinsamen Atem getragen. Christa Feiges Gründlichkeit, ihre Energie und ihre Freundlichkeit machen dies möglich.

Expressiv und linienscharf

Die Psalmen von Mendelssohn kamen klangvoll und mit warmem Glanz und in einer feinen dynamischen Beweglichkeit. Mit markanten Männer- und geschmeidigen Frauenstimmen, die viel Licht verbreiteten. Bei Kaminskis Psalm »Aus der Tiefe« wurde das expressive »de profundis« linienscharf beim Wort genommen, während der 51. Psalm von Brahms zunächst ein wenig flach wirkte. Aber in der Schlussfuge fuhr der »freudige Geist« auch in ein inspiriertes Singen.

Zart und innig, geradezu verklärend in seinem milden Wohllaut brachte der Chor ein Werk von Morten Lauridsen zum Schweben: »O Magnum Mysterium«. Beseelter Gesang von erlesener Reinheit. Diesem A-cappella-Block folgte eine frische und ausdrucksreiche, der Intimität und der Beschwingtheit Raum gebende Wiedergabe des »Gloria« von Vivaldi. Dem frei und leicht singenden Chor, dem von lockeren Koloraturen bis zu den eindringlichen »miserere«-Wendungen alles gelang, entsprach ein präzis und mit Stil musizierendes Orchester, das - wie die Gesangssolistinnen auch - von Chormitgliedern gestellt wurde.

Langer, sehr langer Beifall. Dann trat - wie vor Jahren - Michael Goldbach vor den Chor und dirigierte als Zugabe Mendelssohns wundervolle »Engel«-Motette. Und ein Leuchten ging durch den Chor, dessen luzides Singen das Prädikat himmlisch nahelegt. (GEA)

Mit freundlicher Genehmingung des Reutlinger Generalanzeigers