Reutlingen

Die Musik erlebbar gestalten

Viele Dirigentenwechsel gab’s beim Kammerchor Reutlingen – zu viele. Jetzt hat das Ensemble einen neuen Leiter gefunden: Marcel Martinez. Das erste Konzert mit ihm ist am Freitag, 18. März, in der Christuskirche.
OTTO PAUL BURKHARDT | 16.03.2016

Foto: Otto Paul Burkhardt

„Es passt einfach“, sagt Silke Rabold, die Erste Vorsitzende. Von Anfang an haben sich die rund 40 Sängerinnen und Sänger unter der neuen Stabführung von Marcel Martinez „wohl gefühlt“. Aber auch gut gefordert. Martinez hat in Barcelona Orgel, Cembalo, Chorleitung und Kunstgeschichte studiert. Seine Ausbildung setzte er ab 2009 in Deutschland an der Kirchenmusik- Hochschule Rottenburg und an der Uni Tübingen fort. Seit 2010 ist er Kantor an der Christuskirche, wo er auch einen Frauenchor leitet. Als neuer Dirigent des Kammerchors Reutlingen gibt der 34-jährige Katalane seinen Einstand mit einem A-cappella-Konzert am Freitag, 18. März, 20 Uhr in der Christuskirche.

Sein Debüt verspricht auch gleich etwas Besonderes. Erklingen wird Passionsmusik aus Südeuropa. Doch diese Musik soll auch „erlebbar“ gestaltet werden. Liturgische Texte, Raumwirkungen, Kerzenlicht, Bildende Kunst (ein Gemälde von Cavaraggio) u nd sogar choreographische Elemente sollen eine Art Gesamt-Erlebnis bilden.

Die jüngste Geschichte des Kammerchors ist recht unruhig verlaufen. Nach 18 Jahren Kontinuität unter Christa Feige (1993 bis 2011) und weiteren zwei Jahren unter Roman Schmid (bis 2013) gab es häufige Dirigentenwechsel. Christoph Mehner, Till Weibel und Ulrich Krämer folgten in kurzen Abständen. Es wurde immer schwieriger zu planen, erzählt Pressesprecherin Christine Dehlinger-Prax: „Der Chor war am Auseinanderbrechen.“

Mit Marcel Martinez ist nun wieder eine langfristige Planung – erstmal bis 2017 – vereinbart worden. Er hat sich zum Ziel gesetzt, auch „Emotionen im Singen zu transportieren“ und gleichzeitig „am Klang zu arbeiten“. Der Kammerchor besteht aus Laien, und bei den meist berufstätigen Mitgliedern spielt auch das Bedürfnis nach „Motivation“ eine Rolle, ergänzt Dehlinger-Prax: „Wir wollen bereichert und nicht frustriert nach Hause gehen.“

Martinez möchte mit dem Kammerchor auch weiterhin die Abwechslung zwischen weltlicher und geistlicher Musik suchen und stetig am Niveau feilen. So ist am 17. Juni eine „Mittsommernacht“ in der Stadtbibliothek geplant. Das Motto wird lauten „Kennst du das Land?“ Frei nach dem berühmtem Goethe-Zitat („wo die Zitronen blühn“) erklingen Monteverdi-Madrigale, aber auch Opern-Chöre von Verdi und Puccini, etwa aus „Nabucco“, „Il trovatore“ und „Madame Butterfly“.

Im November wird es wohl einen Abend mit „Funeral Sentences und Motetten“ von Henry Purcell geben. Und zum Advent leitet Martinez ein gemeinsames Konzert seiner beiden Ensembles: Kammerchor Reutlingen und Cantemus-Chor der Christuskirche. 2017 wird dann der Kammerchor unter Martinez ein größeres Werk aufführen.

Schon jetzt sind die Chormitglieder voll des Lobes für ihren neuen Taktgeber. „Er hat eine besondere Herangehensweise“, sagt Christine Dehlinger-Prax, „man merkt’s am Klang“. Dem Kassenwart Benn Kobler, „macht sogar das Einsingen schon Spaß“. Die Kammerchoristen sind eher in reiferem Alter – Marcel Martinez, bestätigt Dehlinger-Prax, „ist der Jüngste!“

Der „Neue“, so scheint es, findet die richtige Balance zwischen Motivieren und Fordern. Neben der Chormusik (Palestrina) sei Oper seine „Leidenschaft“, Wagner, Richard Strauss – „das widerspricht sich nicht“. Zu seinen Interessen zählt er auch Literatur und Kunstgeschichte. Sein Ziel mit dem Kammerchor umschreibt er so: „Den Chor auf einen Stand bringen, der viele neue Möglichkeiten eröffnet – ich suche in jeder Stilrichtung.“

Mit freundlicher Genehmingung der Reutlinger Nachrichten