Christa Feige leitet seit zehn Jahren den Kammerchor Reutlingen

Stets ein offenes Ohr für die Sänger gehabt

Anspruchsvolle Originalkompositionen als Stärke - Vielseitigkeit als Leitmotiv - Es mangelt an Tenören

Ein selbstbewusster Chor mit einem anspruchsvollen Repertoire und eine begeisterte Chorleiterin: Seit zehn Jahren leitet Christa Feige den Kammerchor Reutlingen. Im Gespräch mit unserer Zeitung blicken Chor und Chorleiterin auf eine anregende Zusammenarbeit zurück.
Christa Feige hat zum Gespräch ein "Mitglied der ersten Stunde" mitgebracht. Christine Dehlinger-Prax gehört noch zum "Urgestein" vom Chor der Pädagogischen Hochschule. Dorther stammen auch die basisdemokratischen Wurzeln des Kammerchors, der sich nach wie vor selbst verwaltet.
"Wir haben gesagt: Alle zwei Jahre einen neuen Vorstand, und die Ämter werden immer weitergereicht", erzählt Christine Dehlinger-Prax. Das habe sich bewährt. "Es kam immer wieder mal der Punkt, wo man dachte: Für dieses Amts gibt's keinen.
Und doch hat sich immer wieder jemand gefunden, die Ämter waren immer sehr gut besetzt. Selbstverständlich ist das nicht, das sind ja alles Berufstätige mit Familie." Das Programm ist ambitioniert, mit einem hohen geistlichen Anteil, der vom Chor so festgelegt wurde: Barockes wechselt mit romantischer Chormusik, Brahms' Liebesliederwalzer stehen neben Rutters Requiem und Gloria. Das Motto lautet: "Nicht das, was alle machen." Spannend soll's sein, Leichtes ist eher unbeliebt: "Mal ein Ausflug in die 'leichten Gefilde', mehr nicht." Auch die derzeit einstudierte Jazzmesse ist bei aller Lockerheit recht schwierig. Das ist die Stärke des Chors: anspruchsvolle Originalkompositionen. Dafür setzen sich die Chorsänger/innen engagiert ein.
Christa Feige lobt ihren Chor: "Das schätze ich an ihnen, dass sie bereit sind, sich wirklich jede Note anzugucken. In jeder Stimme sind einige, die zuhause üben." Christine Dehlinger-Prax erinnert sich an den "Karle auf Korsika", der im Urlaub gar Noten und Discman mit aufs Boot nahm.
Die Ideen kommen aus dem Chor - so schildert es Christine Dehlinger-Prax: "Da heißt es oft, wir täten gern mal dies, ich hätte gern mal jenes, wir könnten doch mit dem mal zusammen; und dann guckt man, ist das möglich oder nicht. Die Impulse kommen aus den verschiedensten Ecken, das sprudelt manchmal nur so. einem kam die Idee mit der ‚Tonne', einem andern schwebt ‚wandern und singen' vor, da kommen ganz, ganz viele Ideen." Zusammengestellt werden die meist themengebundenen Programme von der Leiterin.

Kooperationen

Großgeschrieben wird die Zusammenarbeit mit anderen Chören, aber auch - im Trend zur "Chormusik plus" - mit anderen Künsten, Schauspiel, Tanz, Literatur. Die Kooperation mit der "Tonne" soll fortgesetzt werden. Diszipliniertes Üben prägt das Chorleben in den Proben und den Familienfreizeiten, darüber hinaus auch noch die Stimmschulung durch den Gesangspädagogen Teru Yoshihara. "Er ist ein richtiger Glücksgriff, und wenn alle beim gleichen Gesangslehrer sind, ist das für den Chorklang klasse", sagt Christa Feige.
Wie kam sie eigentlich zum Kammerchor? "Ich war eben fertig mit Studium und Praktikum, da hab ich die Ausschreibung gesehen und beim Probedirigieren mitgemacht." Christine Dehlinger-Prax erinnert sich noch gut: "Das war eine große Aktion mit vielen Sitzungen damals, wir hatten auch kein Probelokal, die PH war ja geschlossen. Wir waren ganz platt über die vielen hochkarätigen Bewerbungen um die Chorleitung. Christa ist es dann geworden."
Christa Feige ergänzt: "Ich fand den Chor ansprechend, weil er ungebunden ist und einfach leistungsfähig. Ganz toll fand ich, dass alle von Haus aus gut mit Noten umgehen konnten und ich auf hohem Niveau einsteigen konnte."

Kollegiale Art

Seither hat Christa Feige kontinuierlich und erfolgreich mit dem Chor gearbeitet, obwohl sie in der Zeit drei Kinder bekommen hat. Auffallend ist: Nicht sie entwickelt den Chor, sondern sie findet es gut, dass der Chor sich immer weiter entwickelt. Mit ihrer offenen und kollegialen Art ist sie offenbar die richtige Partnerin für diesen selbstbewussten Klangkörper.
Ein Schmerz drückt sie aber doch: Der Chor hat zuwenig Tenöre. Wo sind die Männer? Sind die Anforderungen zu hoch? "So viele Programme, das ist schon ein bissle grenzwertig". Aber spannend.

(Susanne Eckstein)