Musik / Brahms-Requiem in der Eninger Andreaskirche
Mit eindrucksvoller Wucht und Schlagkraft: Der Reutlinger Kammerchor unter Christa Feige führte das „Deutsche Requiem“ von Johannes Brahms auf. Von Susanne Eckstein.
ENINGEN - Man kennt Brahms berühmte Trauermusik üblicherweise in der Fassung mit Orchester:
Farbig instrumentiert und meist - auch im Gedanken an die biographischen Anlässe, den Tod von
Robert Schumann und Brahms’ Mutter – eher verhalten und tröstlich interpretiert, als
protestantisch-nüchternes, intimes Gegenstück zu prunkvoll auftrumpfenden katholischen
Totenmessen wie etwas der von Giuseppe Verdi.
Der Kammerchor und seien Leiterin Christa Feige nun wählten einerseits eine „abgespeckte“
Fassung ohne Orchester, andererseits einen diesseitig-kraftvollen Zugang.
Eine „kleine“ Version für Chor, Solisten und zwei Klaviere legte Johannes Brahms selber im
Jahr 1869, ein Jahr nach der Uraufführung, seinem Verleger auf dessen Wunsch vor mit den
Worten: „Die Hölle ist absolviert“.
Das Werk „auch für vierhändige Seelen genießbar“ zu machen, das ermöglichte erst die
Verbreitung in weiteren Kreisen. Eine spätere Bearbeitung im 20. Jahrhundert fügte Pauken
hinzu, und jetzt in Eningen war zusätzlich die Basslage durch den Kontrabass von Ulrich Feige
verstärkt. Schon die Instrumente betonten den Rhythmus und die Extreme – mächtiger Bass,
dumpf pochende Pauken, zwei Konzertflügel; aber auch der Chor schärfte die Konturen des
ohne die gewohnte Orchesterhülle offen daliegenden Satzes und verlieh ihm ungewohnte Kraft
und Härte.
Exemplarisch der Anfang: An die Stelle jenseitiger Entrückung trat diesseitige Präsenz,
die Tempi wurden recht flott genommen, und die Klaviere näherten sich mit ihrem
tänzerisch-perkussiven Anschlag fast dem Charakter der Brahmsschen „Liebeslieder“-Walzer.
In punkto Lautstärken legten sich die Sänger unter dem gradlinigen Dirigat von Christa Feige
keinerlei Zurückhaltung auf, sie nahmen Brahms’ Vorschrift beim Wort – „forte“ und
„crescendo“ – und reizten die Dynamik zugleich diszipliniert und hemmungslos aus.
So, dass die Ecken und Kanten des Werks und die Emotionen in ihrer ganzen Gewalt und
fast expressiv überzeichnet zu Tage traten: Schmerz, Auflehnung und Siegesgewissheit,
„die mit Tränen säen“ jubelten kurz darauf lautstark und mit vollem Chorklang in „ewiger Freude“.
Mit freundlicher Genehmigung der Reutlinger Nachrichten