KONZERT Ärzteorchester gastiert mit außergewöhnlichem Weihnachtsgruß in der Stiftskirche
Ein tiefes Erlebnis war die Aufführung von Berlioz' "Die Kindheit Christi". Eine musikalische Meisterleistung war es für das Ärzteorchester, Chöre und Solisten. Dirigent Norbert Kirchmann und die Musiker machten dem Publikum ein ganz besonderes Weihnachtsgeschenk.
"Wer Ohren hat, der höre!", so steht es im Matthäus-Evangelium. Dieser Satz mag auch für das
Konzert des Tübinger Ärzteorchesters zusammen mit dem Reutlinger Kammerchor und der "Schola sine
nomine" am Sonntagabend in der Stiftskirche gelten.
Schon in seiner musikalischen Struktur ist das Werk einzigartig. Dein Paukendonner, keine
Übermacht an gewaltigen Kräften, Fanfaren, Dröhnen und Tosen, wie man es aus dem Requiem kennt.
Und doch ein Kräftespiel. Jedoch eines, bei dem einem spöttischen Dialog zwischen römischen
Soldaten und einem nachdenklichen, gar verzweifelten Monolog des Herodess sphärisch-verklärte
musikalische Meditationen entgegengesetzt werden.
Eine Polarität, die nicht auf die Musik beschränkt bleibt. Den Text hat Hector Berlioz selbst
geschrieben. Und damit seinem Werk eine unermesslich poetische, wirkungsmächtige Komponente
beigegeben. Der bereits genannte Monolog des Herodes im ersten Teil gehört hierzu. Er zeigt den
gefürchteten König in einem ganz anderen Licht, als einen müden, unglücklichen Menschen.
Wie leicht und voller Zuversicht kommt dagegen im dritten Teil der Chor der Ismaeliten daher:
"Geht schlafen, guter Vater, süßes Kind, zarte Mutter! Ruhet bequem, träumt angenehm ohne
Schrecken! Und die Zauber aus Hoffnung und Glück kehren wieder zurück!"
Die ästhetische Pracht und Hoheit dieser Zeilen findet sich auch in der Musik. Fein abgestufte
Tonbewegungen, rhythmische Finessen sowie anmutige, illustrierende Details bildeten das Material,
mit dem sich Chor und Orchester auseinander zu setzen hatten. Eine Komposition, deren
Besonderheit eine Einheit in Vielfalt ist, bei der eine stete Verankerung des Einzelnen im
Ganzen spürbar wird.
Kein leichtes Unterfangen für ein solch großes Musikprojekt. Doch Norbert Kirchmann gelang es
zusammen mit seinen Musikern, Figuren und Motive reizvoll herauszuarbeiten und doch nicht den
Kontakt zur Gesamtkomposition zu verlieren. Dass dabei keine Hektik aufkam, sondern subtilen
klanglichen und motivischen Entwicklungen Raum gegeben wurde, ist umso mehr bemerkenswert.
Die Rollen der handelnden Figuren hat Berlioz so ausgeprägt konzipiert, dass die Solisten ganz
hinter diesen zurück treten mussten. Ursula Wiedmann (Mezzosopran), Joachin Asiain (Tenor),
Friedrich Mack (Bariton) und Reiner Hiby (Bass) erfüllten diesen Anspruch in beeindruckender
Weise.
Mit freundlicher Genehmigung der Hohenzollerischen Zeitung