KONZERT / In der Reutlinger Kreuzkirche
Es muss nicht immer "Requiem" sein: Auf Entdeckungsreise zum weniger bekannten kirchenmusikalischen Mozart - Vater und Sohn - machte sich der Kammerchor Reutlingen unter Christa Feige. Mit unterwegs war das Barockorchester Collegium musicum Stuttgart.
REUTLINGENREUTLINGEN Von Wolfgang Amadeus Mozart wurde behauptet,
sein heimliches Lieblingsfach sei die Kirchenmusik gewesen. Angeblich strebte er die
Domkapellmeisterstelle am Stephansdom an, starb aber, ehe er dort die Nachfolge antreten konnte.
Noch aus seiner Salzburger Zeit stammen die Missa brevis KV 220, die wegen der Zwitschermotive
später so genannten "Spatzenmesse", und die "Vesperae solennes de confessore" KV 339.
Dem Festcharakter dieser Stücke zollte der Kammerchor in Großbesetzung Rechnung: Mit etwa 50
Sängerinnen und Sängern wuchs er weit über sich hinaus und zeigte vor allem in den Sopranenen
stimmliche Schlagkraft. Allerdings verschob sich die Balance dadurch zu Ungunsten des authentisch
klein besetzten "Collegium musicum". Der von der Aussage her tragende, von den historisch
geschulten Musikern fein durchgestaltete Orchestersatz war nur in den Chorpausen deutlich hörbar.
Mustergültig präpariert und bei glänzender Sing- und Musizierlaune zeigten sich durchweg alle
Beteiligten und interpretierten die Kirchenwerke von Mozart junior als tänzerisch bschwingte
fürsterzbischöfliche Festmusiken, die weniger verinnerlichte Anbetung als diesseitig
triumphierende Glaubens- und Lebensfreude verkünden; bei der "Spatzenmesse" darüber hinaus
in prägnanter, von Mozarts geistlicher Obrigkeit verordneter Kürze.
Leopold Mozart, ebenfalls ein guter Komponist, steht im Schatten des Sohnens. Von seinen Werken
sind nur wenige im Original überliefert, eine kleine Sensation war daher die Restauration der
Handschrift seiner "Lauretanischen Litanei" in Es, die man in Salzburg noch bis 7. Januar in
der Neuen Residenz bewundern kann - dem Stück, das in der Bearbeitung von Mozart junior in der
Kreuzkirche zur Aufführung kam.
Als prächtig und in den Koloratur-Kadenzen gar virtuos zeigte sich diese Anrufung der Jungfrau
Maria, bei der die vier Gesangssolisten ihr Können einbringen konnten: Mit beweglichem Sopran
Gudrun Ingimars, natürlicher Altstimme Patricia Wagner, klar und sprechen, sehr hell timbriert
die Counter-Stimme von Michael Berner, und solide Bernhard Schmidt-Brückens Bass.
Wie selbstverständlich gelang Solisten und Collegium unter Christa Feiges konzentrierter Leitung
eine homogene Gestaltung der solistischen Teile. Heilsgewiss und heiter schien die Fürbitte der
Jungfrau Maria schon erhört, bis zum Schluss der mit einem unerwartet flehentlich
ausformulierten "miserere nobis" überraschte.
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Von Mozart juniors "Vesperae solennes de confessore" hört man oft nur das "Laudate Dominum",
das als Liebling von Sängerinnen und Publikum gerne separat aufgeführt wird. Der Hörerwartung
bot der Kammerchor mutig die Stirn: Nicht die professionelle Sopranistin präsentierte diese
"Apotheose des Gesangs", sondern die drei jüngsten Sopransängerinnen des Chors gemeinsam.
Mit ihrem glockenhell und rein dargebotenen Solo unterstrichen sie auf anrührende Weise den
innig-schlichten Charakter des Satzes, der sich mit dem behutsam die zarten Stimmen stützenden
Chor auf diese ungewöhnliche Weise als innere Mitte, als "Herz" des Konzertabends erwies,
beschlossen vom triumphierenden Jubel des "Magnificat" und lang anhaltendem Beifall.
Mit freundlicher Genehmigung der Reutlinger Nachrichten