Schwäbisches Tagblatt Tübingen, 02.04.2007
Dem lebendigen Ton entgegen
Der Reutlinger Kammerchor suchte und fand sein Heil in Frank Martins Credo
TÜBINGEN (akw). Die Oratorien des Schweizer Komponisten Frank Martin sind berührende Werke.
Der Dialog von lyrischer Offenheit und rhythmischer Strenge, liegende Bassklänge, die den
sopranistischen Melodiebogen Halt geben, nur um sich wenig später mit ihnen zu ganzen Akkorden
zu verzahnen, all das lässt einen beeindruckt und zufrieden zurück.
Auch bei der Tübinger Motette am Samstagabend in der Stiftskirche war dies der Fall. Kurz vor
Ende der Passionszeit bestritt der Kammerchor Reutlingen unter der Leitung von Christa Feige
die musikalische Andacht. Ein Choralsatz von Melchior Vulpius eröffnete die Motette, die
weitestgehend ohne instrumentale Begleitung oder Intermezzo auskam und allein den Stimmen
vorbehalten blieb. Nach anfänglicher Nervosität (Solistin Jana Regenauer nutzte in Felix
Mendelssohn-Bartholdys "Hebe deine Augen auf trotz schönem Sopran leider nicht ihr eigentliches
Stimmvolumen) näherte sich der Chor doch wesentlich der Lockerheit des Klanges und Lebendigkeit
des Vertrags.
In Frank Martins Messe für zwei vierstimmige Chöre wurden die akzentuierte Linienführung im
polyphonen Geflecht und der reine Klang der Akkorde überzeugend präsentiert Herausragend
gerieten dabei das anspruchsvolle Credo und Sanctus. Gerade das zentrale Werk des Abends
mit seinen metrisch-rhythmischen Feinheiten forderte und förderte sichtlich die Sangesfreude
der Beteiligten. Scheinbar wie eine Bestätigung mischten sich noch die Glocken der
Stiftskirche in da" Sanctus. Mit Josef Gabriel Rheinbergers "Vater unser" als Solo für
Mezzosopran und Orgel sowie dem "Abendlied" konnte die Beweglichkeit zu Gunsten der
Sensibilität abnehmen und der Abend besinnlich schließen.
Dirigentin Christa Feige beeindruckte mit Detailarbeit, ihr Chor offenbarte jedoch auch
gelegentliche Schwächen bei Spitzentönen. Ein Sachverhalt, der das Kammerchor-Konzert
ein wenig trübte und zu Abzügen in der Bestnote führen muss. Wohl als wüsste er um
diese Mängel, aber auch um den Verdienst, überließ der Chor den Schluss-Applaus seiner
Leiterin.
Mit freundlicher Genehmigung der Reutlinger Nachrichten