Konzert - Kammerchor und Kammerorchester gewinnen der Weihnachtszeit in der Marienkirche spanische Seiten ab
VON ARMIN KNAUER
REUTLINGEN. Eine gute Stunde nur, aber das reichte dem Kammerchor und dem Kammerorchester
Reutlingen am Freitagabend voll aus, um die Zuhörer in der Marienkirche tief hineinzuziehen
in eine nicht alltägliche Klangwelt. Spanische Rhythmen belebten bei der ersten
Zusammenarbeit der beiden Ensembles die Weihnachts-Besinnlichkeit. Die Fröhlichkeit
baskischer Folklore verband sich mit romantischem Melodienfluss, raffiniert gesetzt und
mitreißend musiziert.
Den Anfang aber machte Otto Nicolais »Weihnachts-Ouvertüre« über den Choral
»Vom Himmel hoch da komm ich her«. Nicht bloß eine Weihnachtslied-Vertonung, sondern ein
Satz von Beethoven'schem Anspruch, der sinfonisch vertrackt vom Dunkel ins Licht strebt.
Dirigent Robert Wieland führte die Musiker mit sicherer Hand und viel Zug durch die
fugierten Einsätze. Prägnant, wie die Streicher dabei die Düsternis vor der Ankunft
des Lichts inszenieren. Wie sich das Choralthema in den Flöten ganz zart aus einem leisen
Paukenwirbel heraus erhebt. Furios, wie freudige Erregung aufflammt, wie die Blechbläser
attackieren. Am Ende triumphiert der Chor mit dem Choralthema über dem Orchestergewoge -
ein imposantes Schlussbild.
Der anschließende Mariengesang des Basken Javier Busto bewegt sich zwischen
Spätromantik und Hollywood-Gefühligkeit. Leicht könnte er süßlich klingen, aber der
Kammerchor holt das Seidenfeine aus den weichen Melodielinien, setzt klare Spitzentöne,
um die ein Funkenregen aus dem Schlagwerk niedergeht. Schön! Überhaupt die beiden
Perkussionisten: In der »Navidad«-Suite des Basken Tomás Aragüés Bernard bekommen sie
reichlich zu tun, wenn die Musik aus ihrer verträumten Beschaulichkeit heraus plötzlich gut
gelaunt ins Tanzen gerät. Da schnippen sachte Beats aus der Snaredrum, da leuchten dezent
die Röhrenglocken, da versetzen munter sprudelnde Handtrommeln die Hörer in südliche
Gefilde - und zwischendurch klappern die Kastagnetten. Besonders zu loben ist, wie
feinfühlig die Schlagwerker das alles ins Ganze einfügen.
Dasselbe gilt für die stark besetzte Blechbläserriege: festlich, spritzig, aber nie
ausfallend. Aber vergessen wir die flexiblen Holzbläser nicht, die samtig milden
Streicherbässe und die Geigen, denen hauchfeine Klang-Gespinste in höchsten Lagen gelingen.
Der Chor wiederum begeistert mit ungemein differenzierter Lautstärke. Auch leise Stellen
leuchten noch, und die kraftvollen Passagen schwingen rund und sicher dahin.
Pfarrerin Sabine Großhennig steuerte eine Bibellesung bei und hatte auch noch eine
rührende Geschichte von Ursula Berg über ein denkwürdiges Krippenspiel parat. Ein
besonderes Kleinod hatten sich die Musiker bis zum Schluss aufgehoben: den Gesang eines
weiblichen Trios im »Baskischen Wiegenlied« von Aurxto Seaskan. Chorleiterin Christa
Feige selbst war es, die mit zwei ihrer Sängerinnen, Julianna Regenauer und Juliane Prax,
vors Publikum trat. Von sanftem Summen des Chors und zarten Orchesterklängen getragen
ließen die drei ihre Stimmen in den Kirchenraum strömen. Schöner Ausklang eines Konzerts,
in dem sich die Zusammenarbeit der beiden Reutlinger Ensembles bestens bewährt hat.
Mit freundlicher Genehmingung des Reutlinger Generalanzeigers