SUSANNE ECKSTEIN
REUTLINGEN. Es ist schon ein gewisses Wagnis: ein Laienchor und
ein Jugendorchester, die sich als erstes gemeinsames Projekt ausgerechnet das Monumentalwerk
"Die Schöpfung" von Joseph Haydn vornehmen. Für die Qualität beider Ensembles, ihre Leitung
und intensive Probenarbeit spricht, dass die Aufführung zu einem stimmigen Ganzen wurde,
ergänzt durch hervorragende Solisten.
Schon für den Kammerchor in seiner gewohnten kleinen Besetzung ist Haydns Monumentalwerk
fast zu viel. Ergänzt auf fast 60 Köpfe wartete der Chor in der neu renovierten Kreuzkirche
mit vergrößertem Klangvolumen auf, das als Gegenpart zu den stimmlich ausgesprochen
starken Solisten und zum großen Orchester aber auch gebraucht wurde.
Dieses führte seine Qualitäten in der einleitenden "Vorstellung des- Chaos" vor: Bei
minimalen Ungenauigkeiten stets aufmerksam, genau und ausdrucksstark in der Artikulation,
dynamisch durchpulst im vorgegebenen ruhigen Zeitmaß, so dass in Haydns spannungsreichem
Urnebel schon das lebendige Schwingen fühlbar wurde, das die musikalische Erschaffung der
Welt als Bewegungsmoment durchziehen sollte. Das Einzige, was die kosmische Harmonie ein
wenig störte, waren ein paar Fehltritte der Hörner und die Miss-Stimmung des
Continuo-Cembalos - glücklicherweise nur kurzzeitig.
Ansonsten passte alles bestens zusammen, Chor und Orchester mit dem beiden Klangkörpern
eigenen bewegt-bewegenden Schwung, und nicht zuletzt die Solisten, die - was nicht
selbstverständlich ist - sich in ihrem natürlichen, kraftvollen Stil, in Diktion und Timbre
ausgesprochen ähnlich waren und ein homogenes Ensemble bildeten: Ryoko Wakatsuki mit
ihrem vollen, tragfähigen Sopran, Andreas Kramer zwar erkältet, aber dennoch strahlend
bei Stimme, und Teru Yoshihara, dessen kräftiger Bass und den Text verständlich deutende
Gestaltung durchs Geschehen trug.
Haydns große Schöpfungsgeschichte mit ihren ergötzlichen Natur-Illustrationen wurde, wie
es sich gehört, in bunten Farben, plastischer Formung und lebhafter Bewegung klangvoll
ausgemalt. Da rollten die Bässe und knarrte das Fagott, da ging nach dem fulminanten
"und es ward Licht" die orchestrale Sonne gleich mehrfach in vollem Glanze auf, wunderbar
abgestuft steigerte sich das Mezzoforte zu machtvollem Forte in herrlicher Pracht. Und
die Flöten verkörperten himmlisch rein , Einen "süßen Klang aus Rosenwolken", der das
paradiesische Paar-Idyll einleitete, in dem Haydns (und der Librettisten)
Schöpfungsgeschichte kulminiert und endet, von Ryoko Wakatsuki und Teru Yoshihara
gradlinig - ohne das im Begleitheft angedeutete kritische Zwinkern beim Lobpreis des
Mannes als König der Natur-, natürlich und ausdrucksstark durchgestaltet und ausgekostet.
Mit freundlicher Genehmigung der Reutlinger Nachrichten