Die Welt ist rund und swingt

Kammerchor und Junge Sinfonie Reutlingen mit Haydns "Schöpfung"

Die allererste musikalische Zusammenarbeit von Reutlinger Kammerchor und Junger Sinfonie wurde ein großer Erfolg: Christa Feige dirigierte Haydns Oratorium "Die Schöpfung" in der renovierten Kreuzkirche.

SUSANNE ECKSTEIN

REUTLINGEN. Es ist schon ein gewisses Wagnis: ein Laienchor und ein Jugendorchester, die sich als erstes gemeinsames Projekt ausgerechnet das Monumentalwerk "Die Schöpfung" von Joseph Haydn vornehmen. Für die Qualität beider Ensembles, ihre Leitung und intensive Probenarbeit spricht, dass die Aufführung zu einem stimmigen Ganzen wurde, ergänzt durch hervorragende Solisten.

Schon für den Kammerchor in seiner gewohnten kleinen Besetzung ist Haydns Monumentalwerk fast zu viel. Ergänzt auf fast 60 Köpfe wartete der Chor in der neu renovierten Kreuzkirche mit vergrößertem Klangvolumen auf, das als Gegenpart zu den stimmlich ausgesprochen starken Solisten und zum großen Orchester aber auch gebraucht wurde.

Dieses führte seine Qualitäten in der einleitenden "Vorstellung des- Chaos" vor: Bei minimalen Ungenauigkeiten stets aufmerksam, genau und ausdrucksstark in der Artikulation, dynamisch durchpulst im vorgegebenen ruhigen Zeitmaß, so dass in Haydns spannungsreichem Urnebel schon das lebendige Schwingen fühlbar wurde, das die musikalische Erschaffung der Welt als Bewegungsmoment durchziehen sollte. Das Einzige, was die kosmische Harmonie ein wenig störte, waren ein paar Fehltritte der Hörner und die Miss-Stimmung des Continuo-Cembalos - glücklicherweise nur kurzzeitig.

Ansonsten passte alles bestens zusammen, Chor und Orchester mit dem beiden Klangkörpern eigenen bewegt-bewegenden Schwung, und nicht zuletzt die Solisten, die - was nicht selbstverständlich ist - sich in ihrem natürlichen, kraftvollen Stil, in Diktion und Timbre ausgesprochen ähnlich waren und ein homogenes Ensemble bildeten: Ryoko Wakatsuki mit ihrem vollen, tragfähigen Sopran, Andreas Kramer zwar erkältet, aber dennoch strahlend bei Stimme, und Teru Yoshihara, dessen kräftiger Bass und den Text verständlich deutende Gestaltung durchs Geschehen trug.

Haydns große Schöpfungsgeschichte mit ihren ergötzlichen Natur-Illustrationen wurde, wie es sich gehört, in bunten Farben, plastischer Formung und lebhafter Bewegung klangvoll ausgemalt. Da rollten die Bässe und knarrte das Fagott, da ging nach dem fulminanten "und es ward Licht" die orchestrale Sonne gleich mehrfach in vollem Glanze auf, wunderbar abgestuft steigerte sich das Mezzoforte zu machtvollem Forte in herrlicher Pracht. Und die Flöten verkörperten himmlisch rein , Einen "süßen Klang aus Rosenwolken", der das paradiesische Paar-Idyll einleitete, in dem Haydns (und der Librettisten) Schöpfungsgeschichte kulminiert und endet, von Ryoko Wakatsuki und Teru Yoshihara gradlinig - ohne das im Begleitheft angedeutete kritische Zwinkern beim Lobpreis des Mannes als König der Natur-, natürlich und ausdrucksstark durchgestaltet und ausgekostet.

Prächtiger Lobpreis des Schöpfers

Durchpulst wurden vor allem die großen Chorsätze durch eine unablässige, schwingende Bewegung, die das Lebendige der Schöpfung. musikalisch sinnfällig und die dicht gearbeiteten, teils fugierten Passagen nicht nur zu einem prächtigen Lobpreis des Schöpfers, sondern zu einem sehr lebendigen, fesselnden Musik-Ereignis machte.
Hier trafen sich offenbar die durch Pop, Jazz und Neue Musik und damit rhythmisch sensibilisierten Kammerchorsänger mit den in ähnlicher Weise geschulten Musikern der Jungen Sinfonie in einem gemeinsamen Punkt - und rundeten so diese "Schöpfung" zu einem schwungvoll bewegten harmonischen Kosmos.

Mit freundlicher Genehmigung der Reutlinger Nachrichten