Dirigent - Roman Schmid leitet seit Januar den Reutlinger Kammerchor. Am 6. Juli Konzert in der Stadtbibliothek

Lassen Sie den Atem strömen

VON ARMIN KNAUER
REUTLINGEN . »Und jetzt nochmal das Fidirallala vor dem Kolibri!« Es sind kuriose Ansagen, die da fallen, in dieser Chorprobe im Treffpunkt für Ältere. Der Kammerchor Reutlingen probt für sein Konzert am 6. Juli in der Stadtbibliothek. Deutsche Volkslieder stehen an. Nein, keine Festzeltschunkeleien, es sind knifflige Bearbeitungen, um die es geht. Und lustige - so wie diese Version der »Vogelhochzeit« samt beschwipstem Kolibri.

Roman Schmid hat das Programm ausgesucht. Im Januar hat er den Chor von Christa Feige übernommen, die ihn zuvor 18 Jahre lang geleitet hat. Das mit den Volksliedern war ihm ein Anliegen. »Bei Chorfestivals stellen sich Chöre anderer Länder meist mit Volksliedern vor, bearbeitet von ihren besten Komponisten. Und die deutschen Chöre kommen mit dem Brahms-Requiem an.« Wie gut, dass der Carus-Verlag in einem Chorbuch anspruchsvolle, oft sehr peppige Arrangements zusammengetragen hat. Teile daraus wird man am 6. Juli hören.

Ein Reutlinger Gewächs Schmid selbst ist im Hauptberuf katholischer Kirchenmusiker in Geislingen. Er teilt sich dort eine Stelle mit seiner Frau. Orgelspiel, Kinderchor, Kolping-Männerchor, musikalische Erziehung in Kindergärten sind seine Tätigkeitsfelder. Schon länger habe er die Augen offen gehalten nach einem Chor mit Anspruch, der nicht so strikt in die Kirchenroutine eingebunden ist. Da kam die Ausschreibung aus Reutlingen gerade recht.

Zumal Schmid ein echtes Reutlinger Gewächs ist. Aufgewachsen im Hohbuch, auf dem »Kepi« das Abi gemacht, sechs Jahre Kontrabassist in der Jungen Sinfonie. Sechs Kandidaten hat der Kammerchor probedirigieren lassen, sechs mussten sich anschließend dem Gespräch mit dem Chor stellen, »und zwar mit dem ganzen Chor«, wie Roman Schmid schmunzelt, »das ist selten«. Es entspricht aber dem Verständnis von Selbstverantwortlichkeit des Chors, der 1987 aus dem Chor der Pädagogischen Hochschule hervorging. Roman Schmid hat dieses demokratische Selbstbewusstsein gefallen. »Man spürt ein Wollen, die Sänger möchten alles umsetzen«, sagt er.

Eingeführt hat er sich mit einem Programm englischer Komponisten der Renaissance und des Barock. Alles Stücke, die noch niemand im Chor je gesungen hatte. Doch die Sänger zogen mit, die Aufführung in Gönningen klappte prima. »Das Neue war aufregend«, sagt der Chorvorsitzende Henning Blanke.

Schmids Fernziel ist ein ausgeglichener Chorklang gut ausgebildeter Stimmen. Bewusstes Atmen, Aufmerksamkeit für Resonanz und Raum: »Ich möchte die Sänger in die Lage versetzen, das selbst zu pflegen«, sagt er. Dabei setzt er darauf, die Dinge immer wieder anders zu erklären: »Packen Sie da noch mehr Glanz rein«, sagt er einmal. Oder: »Lassen Sie den Atem strömen wie ein Blatt, das in einem Bach landet.« Schmid hat genaue Vorstellungen, sogar davon, wie ein beschwipster Kolibri klingen soll.

Sprechende Gestik und Mimik

Mit Vorliebe leitet er den Chor dirigierend, nicht vom Klavier aus. Arme und Hände fliegen in sprechenden Gesten durch die Luft, seine Mimik knetet geradezu die Musik. Und wenn er vom Chor den Klang einfordert, springen ihm die Augen fast aus dem Gesicht. Chorsängerin Christine Dehlinger-Prax lobt: »Wir bekommen immer sofort Rückmeldungen, was nicht stimmt, das ist hilfreich.« Und Henning Blanke freut sich: »Wir Männer haben plötzlich einen Mann da vorne« - einen, der Bass- und Tenorstimmen eins zu eins vorsingen kann.

Drei, vier Konzerte hat Schmid mit dem Chor im Jahr vor, aber auf Konzerte, sagt er, sei er »nicht fixiert«. Auch Chorproben hätten ihren ganz eigenen Wert, und immer nur das nächste Konzert im Hinterkopf zu haben, »das bringt zu viel Druck rein«.

Dass es ab und an lustig wird, dafür sorgt Schmids trockener Humor. Dafür sorgt im aktuellen Programm auch manches Lied. Etwa eine »Vogelhochzeit« mit einem Pinguin, der als Hochzeitsredner nicht zu stoppen ist. Das mit Liebe fürs Detail umzusetzen, gefällt Dirigent und Sängern gleichermaßen. Es wird sich beim Konzert zweifellos auf die Hörer übertragen. »Wir sind gar nicht traurig, wenn's dem Publikum Spaß macht«, sagt Roman Schmid und grinst. (GEA)

Mit freundlicher Genehmingung des Reutlinger Generalanzeigers